Wie wählen wir das richtige Lastenrad?
Es gibt nicht DAS eine Lastenrad, das sich für Freie Lastenräder besonders eignet. Jede Initiative muss anhand lokal spezifischer Faktoren entscheiden, welches Lastenrad oder welche unterschiedlichen Lastenräder die beste Wahl sind. Informiert euch bei Lastenradnutzer*innen im Freundes-/Bekanntenkreis. (Aber Vorsicht: Meist wird das eigene Lastenrad als die perfekte Lösung gesehen, daher immer die festgelegten Kriterien im Blicke behalten.) Wir empfehlen ausführliche Probefahrten mit verschiedenen Lastenrädern. Das bieten gute Fahrradgeschäfte oder auch Verleihstationen von Lastenräden an. Ein direkter Vergleich verschiedener Modelle ist auch oft bei Messen mit Testparcour möglich, dabei empfiehlt es sich, auch mit Zuladung zu testen. Wir haben ein paar allgemeine Kriterien und Hinweise, die euch die Auswahl erleichtern sollen gesammelt.
Einspurig oder mehrspurig?
Diese Frage ist eine oft auch emotional geführte Grundsatzdebatte. Das Lenk- und Fahrverhalten von Einspurern und Mehrspurern unterscheidet sich erheblich. Einspurige Lastenräder sind schmaler, wendiger und schneller. Mehrspurige Lastenräder haben mehr Ladekapazität und erfordern eine gemächliche Fahrweise (v. a. ohne Ladung). Auf ebener Fahrbahn und im Stand bedarf es bei Mehrspurern kein Ausbalancieren der Ladung. Unterschiede im Lenk- und Fahrverhalten gibt es aber auch bei den Einspurern zwischen Long Johns (verlängerter Radstand und tiefe Ladefläche vorne), den Short Johns (modernen Formen des Bäckerrads mit Ladefläche über dem Vorderrad) und Longtails (verlängerter Radstand und Ladung hinten). Bei den Mehrspurern gibt es dreirädrige Frontlader mit verschiedenen Lenksystemen (Drehschemel- vs. Achsschenkellenkung, Neigetechnik, Hinterradlenkung) und drei- oder vierrädrige Hecklader mit jeweils unterschiedlichem Lenk- und Fahrverhalten.
Alle Lastenrad-Typen lassen sich (bei jeweils angemessener Fahrweise) sicher und komfortabel fahren. Lastenradanfänger*innen glauben oft, dass es leichter sei, ein Dreirad zu fahren. Haben sie beide Varianten getestet, bevorzugen sie dann doch überraschend oft das Zweirad, weil es sich im Grunde wir ein normales Fahrrad fährt. Ein Dreirad ist für Ungeübte schwieriger zu lenken als ein Zweirad, weil es nicht auf eine Gewichtsverlagerung reagiert.
Außerdem haben wir die Erfahrung gemacht, dass stabile Felgen sowie kleinere Vorderräder Reparaturen minimieren. Der Grund hierfür ist, dass kleinere Räder eine geringere Hebelwirkung haben, sodass z. B. das Überfahren eines Bordsteins nicht unbedingt eine Acht zur Folge hat. Um platte Vorder- und Hinterräder zu minimieren, empfehlen wir außerdem sogenannte Unplattbar-Reifen.
Zielgruppen und Nutzungszwecke
Wollt ihr mit eurem Freien Lastenrad eine ganz spezifische Nutzergruppe ansprechen, z. B. Kund*innen von Baumärkten oder Elektrofachgeschäften für besonders sperrige und große Einkäufe oder Familien mit kleinen Kindern für Ausflüge und Wocheneinkauf oder Student*innen? Hier wäre jeweils ein anderes Lastenradmodell bzw. eine andere Ausstattung geeignet oder ein Lastenrad, das möglichst viele Zielgruppen anspricht und Nutzungsformen erlaubt.
Die erste Nutzerstudie der Freien Lastenräder von 2017 ergab, dass Freie Lastenräder bisher v. a. von sehr fahrradaffinen Menschen für Einkäufe genutzt werden. Auch der Fahrradmonitor 2017 stellte ein größeres Interesse an Transporten von Einkäufen und sperrigen Gegenständen als von Kindern mit dem Lastenrad fest.
Ein Modell oder mehrere Modelle?
Kann euer Freies Lastenrad-Angebot gleich mit mehr als einem Lastenrad starten, könnt ihr unterschiedliche Lastenräder für verschiedenen Zielgruppen und Nutzungszwecke anbieten. Damit kann die Vielseitigkeit von Lastenrädern und ihren Nutzungsformen besser demonstriert werden. Es kann aber sinnvoll sein, von Anfang an oder nach ersten Erfahrungen mit unterschiedlichen Modellen gezielt auf ein bewährtes Modell zu setzen (Reduktion von Komplexität im Betrieb).
Mit oder ohne E-Antrieb?
An kaum einem anderen Fahrradtyp ist ein E-Antrieb so sinnvoll wie an einem Lastenrad. Gleichzeitig erhöhen mehr verbaute Teile auch den Aufwand für die Wartung, da auch mehr kaputtgehen kann. Das Angebot von E-Lastenrädern (Tretunterstützung bis 25 km/h) erhöht die Nutzungsbereitschaft und somit die Auslastung der Räder. Bei anspruchsvoller Topografie ist es dringend zu empfehlen, Lastenräder mit E-Antrieb zur Verfügung zu stellen. Bei Klara in Hamburg ist dies wiederum nicht notwendig und wird dort von den Nutzer*innen kaum nachgefragt.
E-Lastenräder machen allerdings den Ausleihvorgang etwas komplizierter, da immer gesichert sein muss, dass jemand den Akku auflädt, das Ladegerät und ggf. den manchmal vorhandenen Akkuschlüssel zurückgibt. Auch die Einweisung der Nutzer*innen ist aufwendiger, weil nicht alle Ausstattungen selbsterklärend sind. Zudem ist der Wartungsaufwand wegen der zahlreichen Spezialteile komplexer und der Kaufpreis höher, was auch die Kosten für die Versicherung erhöht. Bei dreirädrigen Lastenrädern sind die 25 km/h für ungeübte Nutzer*innen im Allgemeinen zu schnell, was zu Unfällen beim Ausweichen oder in ungünstigen Kurven führen kann. Es ist jedoch unwahrscheinlich, ein Modell zu finden, wo die maximale Geschwindigkeit auf z.B. 18-20 km/h einstellbar ist - Standard sind 25 km/h. Beim Neukauf eines E-Lastenrads solltet ihr auf die CE-Kennzeichnung achten, die für alle Pedelec-Verkäufe in der EU gesetzlich vorgeschrieben ist.
Fahrkomfort und einfache Bedienung
Achtet auf eine möglichst intuitive Nutzbarkeit des Lastenrads v. a. was die Schaltung und einen möglichen E-Antrieb betrifft. Auch die einfache Verstellbarkeit von Lenker- und Sattelhöhe ist wichtig. Niedrige Mittelstege erleichtern vielen Nutzer*innen das Auf- und Absteigen. Das Lastenrad sollte einfach zu fahren sein, damit es möglichst viele nutzen können und wollen. Viele Freie Lastenrad-Initiativen setzen deswegen auf komfortable Lastenräder mit aufrechter Sitzposition - z. B. die sehr erfolgreiche Initiative Hannah - Dein Lastenrad für Hannover. Andere bieten gezielt auch Modelle mit sportlicher Sitzposition an, die eine andere Zielgruppe ansprechen und ein anderes Image verbreiten.
Außenbotschaft
Lastenräder sind Hingucker im Straßenraum wie auch in den Medien und sozialen Netzwerken. Das Lastenrad sollte deswegen auch von der Optik zu euch und euren Zielen passen. Es ist vorteilhaft, ist eine große Fläche auf dem Lastenrad mit Logo, Namen und/oder Webseite zu gestalten. Aus Perpektive eines guten Marketings hat KASIMIR in Köln 2013 ein großes, auffälliges Rad gut getan, das die Botschaft „Passt eine Waschmaschine rein“ unterstrich. Überlegt euch, welche Botschaft ihr primär setzen wollt und welcher Lastenradtyp am besten dazu passt.
Lokales Kauf- und Serviceangebot
Habt ihr ein kompetentes Lastenrad-Geschäft in der Stadt, das euch mit Sonderkonditionen beim Kauf und Service unterstützen möchte? Oder gibt es lokal ein geeignetes gebrauchtes Lastenrad zu kaufen? Das können wahre Glücksgriffe sein. Achtet beim Kauf auf jeden Fall darauf, dass die Servicefrage für das ausgewählte Lastenrad geklärt ist und bindet euer Wartungs-/Technikteam in die Kaufentscheidung ein. Wenn ihr das Lastenrad beim lokalen Lastenradgeschäft kauft, sollte es auch eine besondere Motivation und Verpflichtung geben, euch einen guten Service zu bieten.
Kaufpreis
Ein Lastenrad kostet im Fachhandel einen niedrigen bis mittleren vierstelligen Betrag. Qualität und Ausstattung - insbesondere E-Antrieb - haben dabei ihren Preis. In einigen Städten und Bundesländern (Baden-Württemberg) gibt es Kaufprämien für Cargobikes, von denen auch Vereine profitieren können. Teilweise unterstützen Hersteller*innen und Händler*innen Freie Lastenrad-Initiativen mit Sonderkonditionen - aus ideelen Gründen oder aus Marketinginteresse. Der ADFC Bundesverband bemüht sich bei ausgewählten Lastenrad-Herstellern um besondere Einkaufkonditionen für seine Gliederungen.
Links zur Information über das Angebot:
- Marktübersicht von www.nutzrad.de
- www.bakfiets.blog/p/lenkungen.html
- www.adfc.de/technik/fahrradteile-und-zubehoer/lastenraeder/ausprobiert-lastenraeder
- adfc-berlin.de/radverkehr/fahrradalltag/lastentransport/395-der-cargobike-ratgeber-berlin-artikel.html
Lastenräder selbst bauen
Bei Werkstatt-Lastenrad gibt es zahlreiche Bauanleitungen (http://www.werkstatt-lastenrad.de/index.php?title=Bauanleitungen). Manche Initiativen lehnen Selbstbauten wegen der nicht gegebenen Herstellerhaftung grundsätzlich ab.
ADFC-Lastenradkatalog
Der ADFC ist mit verschiedenen Importeuren bzw. Herstellern von Lastenrädern eine Kooperation eingegangen um Initiativen mit ADFC-Beteiligung eine Auswahl bewährter Modelle zu Vorteilskonditionen anbieten zu können. Während Bestellung und der Versand zentral erfolgen, profitiert der lokale Fahrradhandel von Service und Wartung der Lastenräder. Die Details zum Angebot findet ihr im
.
Die jeweils aktuelle Version des Katalogs ist im internen ADFC-Bereich zu finden: https://www.adfc.de/adfc-ausstattung/uebersicht-adfc-ausstattung.